04/05/2020 17:00 - 18:00 Uhr | ÖGV

Trennen Sie die Spreu vom Weizen!

Eine kluge Anleitung zur wirkungsvollen Unternehmensführung in unsicheren Zeiten

Von Sabine Gromer

 

Die Pandemie hat uns alle unerwartet getroffen. Weltweit sind Defensive und Rückzug in unterschiedlichster Ausprägung die politischen Antworten auf COVID-19, PolitikerInnen setzen auf die Kooperation der BürgerInnen, die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft und hoffnungsvoll auf die Entwicklungsfreudigkeit der Pharmaindustrie.

Doch gerade für uns als UnternehmerInnen sind Defensive und Rückzug die falschen Antworten. Wir sollten jetzt vor allem eines tun: in die Offensive gehen und uns den neuen Herausforderungen aktiv stellen. Wir müssen jetzt in unseren Unternehmen und in unserer Führung buchstäblich die Spreu vom Weizen trennen. Dieser Artikel möchte Ihnen dabei praktisch und wirkungsvoll helfen.

5 Wegweiser Ihr Unternehmen wirksam durch Krisen zu führen

1. Unser Gehirn funktioniert unter Stress nur eingeschränkt. Bleiben Sie informiert, kreativ und achtsam!

Ob im virtuellen oder reellen Raum, in Krisen verengt sich unser Blickfeld. Unsere Vorurteile und selektive Wahrnehmung der Welt werden verstärkt. Um emotional mit der Krise umgehen zu können, versucht unser Gehirn so viel wie möglich zu vereinfachen, während unser Handlungsspielraum kleiner wird. Der Neurowissenschaftler Dean Mobbs nennt diesen Effekt „Raubtierangst“: Je weniger wir uns bedroht fühlen, desto mehr Raum haben wir Szenarien durchzudenken und strategisch zu handeln, je bedrohter wir uns fühlen, desto weniger Handlungsspielraum lässt unser Gehirn zu. Ohne unser aktives Zutun reagieren wir reflexartig, sind weniger kreativ im Finden von Problemlösungen als unter normalen Umständen und erklären uns die Welt einfacher, wenn auch nicht wahrhaftiger, und so wie sie uns gefällt.

• Gerade jetzt ist es wichtig sich breiter als sonst zu informieren. Investieren Sie mehr Zeit und Aufwand dafür offen für Fakten und andere Blickwinkel zu bleiben. Wechseln Sie öfter die Perspektive.

1 Ein besonderer Dank gilt Daniela Luschin für das Lektorat dieses Artikels und ihre exzellente Unterstützung.

Idee (ich rate zur wortwörtlichen Umsetzung): Setzen Sie sich an einen Tisch, wechseln Sie den Sitzplatz und schlüpfen Sie in die verschiedenen Rollen in Ihrer Firma. Wie geht es Ihren KundInnen/MitarbeiterInnen/InvestorInnen? Welche Unterstützung können Sie ihnen jetzt geben, was brauchen sie? Welche Fragen gilt es zu beantworten? Wie können Sie den Kontakt aufrechterhalten?

  • Womöglich erscheinen Ihnen die Worte Meditation und Achtsamkeit aufgrund ihrer in- flationären Verwendung in den letzten Jahren als abgedroschen. Doch gerade hier und heute haben sie ihre Berechtigung: einem von Existenzangst geplagten Gehirn tut jede Form von Achtsamkeit gut. Schon ein paar Minuten Meditation, Achtsamkeitsübungen oder auch einfach nur kurze Entspannungsphasen (ein Spaziergang im Grünen oder das Betrachten des Himmels) täglich werden Wirkung zeigen.
  • Fördern Sie Ihre Kreativität! Malen Sie, basteln Sie an einer Modelleisenbahn, puzzeln Sie und lassen Sie dabei Ihren Gedanken freien Lauf. Kreativität erweitert den Handlungsspielraum und lässt einem Inkubator gleich Ideen heranreifen, fördert das assoziative Denken und entspannt.

2. Es ist in Ihren Händen! Sie gestalten das Endresultat!

Auch wenn UnternehmerInnen ein und derselben Branche von der Pandemie gleichermaßen betroffen sind, zeichnen sich schon jetzt große Unterschiede in den tatsächlichen Auswirkungen der einzelnen MitbewerberInnen ab. Warum das so ist hat Viktor Frankl treffend beantwortet:

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen.“

Anders ausgedrückt: Der Ausgang einer Situation ist maßgeblich von unserer Reaktion darauf abhängig. Nehmen wir zwei Reisebüros mit mehrheitlich außereuropäischen Reisedestinati- onen her. Reisebüro A und B verzeichnen beide Umsatzrückgänge von nahezu 100% seit Beginn der Pandemie. Reisebüro A bietet nunmehr alternativ Reisen innerhalb Österreichs an, lockt mit Gutscheinaktionen und nutzt die Situation für verstärktes Marketing für die Zeit nach der Krise, während Reisebüro B in der Lethargie verweilt und seine Wunden leckt. Trotz der Pandemie kann Reisebüro A den Umsatzrückgang deutlich dämpfen, bei B bleibt er un- verändert. Der Einfluss von außen ist bei beiden derselbe, das Ergebnis jedoch deutlich anders. Unsere Reaktion hat sehr viel mehr mit dem Endresultat zu tun, als wir denken und mit Sicherheit mehr Einfluss auf unseren Erfolg oder Misserfolg als die Krise an sich. Hier liegen unsere Kraft, unsere Kreativität und unser Handlungsspielraum.

Denken Sie auch an die Phasen von Veränderungsprozessen. Auch wenn wir die Phasen unterschiedlich intensiv erleben, so durchlaufen wir sie doch alle, im Hier und Jetzt in der Anpassung an die virtuelle Realität als auch im Umgang mit der Pandemie. Wichtig ist nur, dass wir nicht depressiv und entmutigt in der Todesschlucht („Valley of Death“) feststecken bleiben sondern uns auch wieder nach

oben bewegen.

Idee: Jede Krise hat negative Konsequenzen, das ist ja klar, sonst würden wir wohl kaum das Wort Krise bemühen. Und doch, findige Geschäftsideen werden in allen Krisen geschaffen. Stellen Sie sich also folgende Fragen:

1. Was ist interessant an dieser Entwicklung (z. B. welche unbestrittenen Annahmen werden gerade ad acta geführt)?

2. Was ist heute möglich, was gestern noch unmöglich erschien (zB was sind neue Chan- cen, Produkte)?

Definieren Sie Ihren Wunsch-Ausgang der Krise.

3. WerdenSieselektiver

Sie können nicht alles ändern. Lenken Sie daher Ihre Aufmerksamkeit auf Dinge, die Sie tatsächlich beeinflussen können. Verwenden Sie dabei den Gelassenheitsvers als Richtungswei- ser und Entscheidungsgrundlage für Ihre Handlungen und Aufmerksamkeiten.

„Gebt mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.”

Erinnern wir uns an die 20%:80% Regel von Pareto. Ihr zufolge werden zB 20% Ihrer Kunden 80% Ihres Ertrags ausmachen. Ebenso tragen 20% Ihrer Aktivitäten zu 80% Ihres Erfolgs bei. Seien Sie also selektiv in der Auswahl Ihrer Handlungen, aber konsequent in der Umsetzung.

Idee: Prüfen Sie jede Entscheidung und Aktivität darauf, ob sie deutlich zur Zielerreichung beiträgt UND mit den aktuellen Ressourcen durchführbar ist. Wenn nicht beide Voraussetzungen gegeben sind, lassen Sie es bleiben. Lernen Sie schnell, passen Sie sich rasch an und trauen Sie sich auch Angefangenes zu verwerfen. Geben Sie Ihren MitarbeiterInnen den Freiraum innerhalb eines von Ihnen abgesteckten Spielfelds dasselbe zu tun.

4. Vermeiden Sie Führungsfehler im virtuellen Arbeitsumfeld

Wenn Sie bereits vor der Krise eine gute Führungskraft waren, dann sind Sie auch jetzt eine. Wenn Sie glauben Ihre MitarbeiterInnen gut motivieren zu können, dann sind Sie in bester Gesellschaft. Laut dem Gallup-Institut glauben genau das 80% aller Führungskräfte. Allerdings geben 67% der MitarbeiterInnen an, dass ihre direkten Vorgesetzten ihr größter Frustfaktor im Beruf sind. Irgendwo in diesem Spannungsfeld liegen die Ursachen: Führungskräfte treffen falsche Annahmen und unter den MitarbeiterInnen gibt es Unklarheiten in der Aufga- benverteilung, Autorisierung (wer darf wann, was, wie) und Autonomisierung.

Idee:Umgehen Sie diese Fehlerquellen indem Sie sich von der Grafik inspirieren lassen. Re- flektieren Sie welche der 8 Fehler auf Sie zutreffen könnten. Setzen Sie sich mit Ihren eigenen Schwächen auseinander und machen Sie sie sich bewusst, wie Sie in Zukunft anders damit umgehen werden. Sprechen Sie mit Ihren MitarbeiterInnen über Wünsche und Bedürfnisse im neuen Arbeitsumfeld.

Das bringt uns zum 5. Punkt.

5. Richtige und sichtbare Kommunikation sind der goldene Schlüssel

Bleiben Sie gerade im virtuellen Arbeitsumfeld sicht- und greifbar und vor allem: KOMMUNIZIEREN SIE! Verbal und Nonverbal!

Teilen Sie dabei ruhig auch mit was noch ungewiss oder im Entscheidungsfindungsprozess ist. Ihre MitarbeiterInnen wollen wissen, was auf sie zukommt und es beruhigt zu wissen, dass Sie sich aktiv mit Problemen auseinandersetzen. Ein „Ich habe noch keine Antwort darauf, aber gebe Ihnen Rückmeldung sobald ich sie habe“ ist vertrauensbildender als um den heißen Brei zu reden. Sprechen Sie auch Ihre Sorgen und Ängste an: Was ist negativ, was ist interessant, was ist ein positiver Nutzen aus der Situation?

In einer plötzlichen Umstellung auf virtuelle Zusammenarbeit kommt es zu einer Reihe von Phänomenen, die das Fehlerrisiko erhöhen:

  • Teammitglieder kommunizieren deutlich weniger miteinander
  • Email wird zum Kommunikationsmedium Nr. 1. Die Flut an Emails ist schwer zu bewältigen und anfällig für Fehlinterpretationen.
  • Effizienzabfall: Aufgrund geringerer Abstimmung untereinander, einer eventuellen schlechten Kapazitätsauslastung und/oder erhöhten Fehlerquote kommt es zu überflüs- sigen Aktivitäten.

Nutzen Sie daher die volle Bandbreite an virtuellen Tools, um Ihr Team zusammen und motiviert zu halten. Hier finden Sie eine ausgezeichnete und umfassende Übersicht an virtuellen Tools: https://www.collaborationsuperpowers.com/tools/

Idee: Beugen Sie dem Effizienzverlust vor. Huddeln2 Sie, um die Effizienz Ihrer Mannschaft aufrecht zu erhalten. Es empfiehlt sich auf jeder Führungsebene mit unterschiedlichen Frequenzen zu huddeln. TeamleiterInnen oder UnternehmerInnen mit bis zu 15 MitarbeiterInnen sollten täglich mit dem ganzen Team ein 15-Minuten-Huddle haben, Abteilungs- und BereichsleiterInnen 2-3x pro Woche zu 30 Minuten.

Ein Huddle beinhaltet immer drei Fragen:

  1. Haben wir gestern geschafft, was wir uns vorgenommen haben? (5 Minuten)
  2. Was ist der Plan/das Ziel für heute? (5 Minuten)
  3. Gibt es Probleme? Wie können wir uns gegenseitig unterstützen? (5 Minuten)

Der Corona-Virus hat viele UnternehmerInnen unterschiedlichster Branchen infiziert. Die Symptome sind unterschiedlich, reichen von absoluter Lethargie und schwersten Depressionen hin zu neuen Kräften und Visionen, geballter Energie und einem unbrechbaren Optimismus. Nicht der Virus steuert die Symptome, Sie entscheiden darüber, wohin Sie dieser steinige Weg führt, ob Sie über jeden Stein stolpern oder all Ihre Kraft zusammennehmen und selbst über große Hindernisse springen. Es liegt an Ihnen. Sie haben das Gegenmittel in Ihren Händen.

 

2 Als Huddle (aus dem Englischen) bezeichnet man ein meist im Stehen geführtes 15 Minütiges Meeting mit Team- oder Projektmitgliedern zur Abstimmung und Priorisierung der Arbeitsaufgaben. Zusätzlich bringt es i.d. Regel Mehrwert durch eine Stärkung des Teamzusammenhalts. Eine integrierte Huddle-Kultur findet man heute in jeder Branche vom Krankenhaus bis zur Bank.