20/08/2019

Goldene Zeiten für die Bauindustrie

In unserem neuen Format „Espresso“ sprechen Entscheidungsträger mit ÖGV Präsident Andreas Gnesda über das Leitthema jeder Ausgabe. Die Premiere wurde mit dem Generaldirektor der Porr AG, Karl-Heinz Strauss gestaltet.

Andreas Gnesda: Welche Megatrends sind für Sie relevant?

Strauss: Die Porr ist heute schon mehr als eine Baufirma, wir sind ein voll integrierter Technologiekonzern. Ich glaube, dass die goldenen Zeiten der Bauindustrie erst bevorstehen. Die Trends, die uns alle beschäftigen sind das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung. Städte haben limitierten Platz, das heißt, man wird in die Höhe wachsen. Verkehr und Versorgungseinrichtungen werden unter die Erde gelegt werden müssen. Der Individualverkehr, Autos, Flug, etc. wird autonom werden. Für all das brauchen wir die Bauindustrie.

Andreas Gnesda: Wir das alles die Bauindustrie überhaupt leisten können?

Strauss: Die Bauindustrie ist leistungsfähig ohne Ende. Unsere Restriktionen bestehen lediglich im Nachwuchs. Bauen ist ein schwerer Job und die Ausbildung ist schwierig. Dennoch werden wir gut performen. Wir sind sehr gut unterwegs bei der Digitalisierung. Von der Ausschreibung, über die Planung bis hin zu Lean Construction auf der Baustelle, der gesamte Prozess ist perfekt aufgesetzt.

CR: Viele Bauwerke sind ein Unikat. Muss das so sein oder gibt es hier auch einen Trend zur verstärkten Industrialisierung?

Strauss: Ich persönlich warne vor Gleichmacherei. Der Mensch ist individuell. Ich sehe auch in den nächsten 15 Jahren keine Roboter oder 3D-Drucker auf der Baustelle. Wir sehen die Zukunft in der Automatisierung der kaufmännischen Prozesse, in Lean Design und Lean Construction. Aber das muss man können, hier müssen alte Gewohnheiten durch neue ersetzt werden. Was sich wandelt, sind die Jobs, da entstehen laufend neue Profile der Tätigkeiten. Ja, wir werden auch vorfertigen, aber das alles gleich wird, ist zumindest für meine und die folgende Generation auszuschließen.

Gnesda: Thema Infrastruktur und Demographie. Wie kann Transport der Menschen- und Warenmassen in Zukunft stattfinden?

Strauss: Raumschiff Enterprise mit Beamen gibt es noch nicht und wir stehen vor großen Herausforderungen. Der Flugverkehr auf der Kurzstrecke und der Individualverkehr werden aus Umweltschutzgründen stark eingeschränkt werden, Bahnstrecken werden ausgebaut werden. Auch das Thema Logistik wird eine große Herausforderung. Ein Tanker braucht vom Roten Meer bis nach Hamburg genauso viel Energie wie die Stadt Stuttgart, da muss man sehr kritisch hinterfragen, warum Transport so billig ist.

CR: Der Klimawandel ist ohne Zweifel eine Herausforderung. Ist da die Politik gefordert? Schlagwort ökologische Steuern?

Strauss: Die einzige Aufgabe der Politik ist es aus meiner Sicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die für alle gleich sind. Das gilt auch für das Klima der Zukunft, das wäre die vornehmste Aufgabe. Es tut sich auch etwas, auch im Kleinen. Gerade hier ist es Aufgabe, regulatorisch und über Förderungen einzugreifen. Dazu brauchen wir auch die drei großen Wirtschaftsblöcke, Europa, USA und China.

Gnesda: Politik ist dazu da, Orientierung zu geben und die Richtung beizubehalten. Da braucht es europäische Lösungen. Vor allem bei Transport und Verkehr ist einzugreifen. Der Weg, den Jeans zurücklegen, bis ich sie tragen kann, ist pervers.

Strauss: Die Politik muss Anreize schaffen, damit Institutionen und Menschen das Richtige tun.

Gnesda: Genau. Man muss zum Positiven motivieren. Verbote alleine bringen nichts.

CR: Die Wohlstandsgesellschaften werden immer älter, zusätzlich gibt es global massive Wanderungsbewegungen, in die Stadt, aber auch über Grenzen hinweg. Wo liegen da Chancen und Herausforderungen?

Strauss: Die Gesellschaften reagieren schon. Die Struktur hat sich beispielsweise in Japan, wo eine starke Überalterung bereits Fakt ist, enorm geändert. Wir werden auch kontrollierte Zuwanderung brauchen. Afrika wird in kurzer Zeit um 1 Milliarde Menschen wachsen. Entweder schaffen wir es, dass diese Menschen zuhause ein Umfeld vorfinden, in dem sie bleiben wollen. Das bedeutet Erwerbsmöglichkeiten, Infrastruktur, Bildung usw. Oder wir werden die größte Völkerwanderung der Menschheit erleben, dann hilft uns kein Grenzzaun. Die Aufgabe ist, den beeindruckenden Kontinent Afrika – wo es ja alles gib, was man braucht – zu einem so attraktiven Ort zu machen, dass die Menschen bleiben wollen.

Gnesda: Wir stehen ganz am Anfang der Entwicklung. In mancherlei Hinsicht leben wir in einem Kulturraum, der was Werte betrifft, immer mehr degeneriert. Historisch sind immer wieder alte Kulturen durch neue ersetzt worden. Wir müssen europäisch agieren im Sinne unserer positiven Werte, wenn unser Kontinent nicht kulturell untergehen soll.

CR: Wenn wir uns 10 Jahre in die Zukunft beamen, was wird dann die größte Herausforderung für UnternehmerInnen sein?

Strauss: Wir schauen 6 Jahre voraus, auf die Porr 2025. Erstens, dass wir bis dahin alle Mitarbeiter auf unsere Entwicklungsschiene mitgenommen haben. Das Menschliche ist dabei sehr wichtig, ohne unsere MitarbeiterInnen funktioniert das Unternehmen nicht. Wir müssen in der Bauindustrie die richtigen Menschen für uns begeistern. Wir müssen viel ganzheitlicher agieren, da sind wir auch sehr gut aufgestellt.

Gnesda: Im Buch „Homo Deus“ Yuval Noah Harari wird sehr gut beschrieben, wo es hingeht. Die Sinnfrage und das Umsetzen dessen, was jeder wirklich ist, wird sich viel stärker auch im beruflichen Leben wiederfinden. Es werden viele neue Formen der Arbeit, neue Jobs entstehen, die Geschichte lehrt uns, dass es immer wieder epochale Erfindungen gegeben hat, die Fortschritt ermöglicht haben und die Gesellschaft sich gut entwickelt hat. Ich glaube aber auch, dass wir im Menschlichen einiges an Evolution nötig haben, aber ich bin sehr zuversichtlich.