14/01/2020

Zeitenwende

Fridays for Future, CO2-Abgaben, Flugscham Greta Thunberg, Venedig unter Wasser – der Schutz der Umwelt und der Wandel des Klimas sind in aller Munde. Auch für Unternehmen wird Nachhaltigkeit immer mehr zum wichtigen Thema. Wir haben 5 Punkte herausgenommen, wie Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Zukunft aussehen könnten oder sollten.

 

1.Vermeiden statt verbieten

Wie so oft in unserem Land gibt es bereits eine Vielzahl von Vorschriften, die Umweltrecht betreffen. Gewerbeordnung, Abfallwirtschaftsrecht, Natur- und Landschaftsschutz und auch die Verfassung sind neben vielen anderen Rechtsbereichen Umfeld für Steuerungsinstrumente des Staates. Der Ruf nach dem Gesetzgeber wird hierzulande auch sehr schnell sehr laut – dabei sind es vor allem die Bäuche und Köpfe der Menschen, KonsumentInnen und UnternehmerInnen selbst, die eine Veränderung herbeiführen. Viele Firmen haben selbstverständlich Produktionsprozesse, Kommunikationsprozesse und vieles mehr. Einen Ressourcenvermeidungsprozess und entsprechende Richtlinien besitzt jedoch nach wie vor nur eine Minderheit und hier sind es vor allem die großen Unternehmen, wo der Druck von Konsumenten und Kapitalmärkten bereits groß genug ist.

Dabei reicht es oft, sich auf die guten alten Werte zu besinnen und Verschwendung der eingesetzten Mittel zu vermeiden. Das hilft nicht nur der Umwelt, sondern spart gleichzeitig oft auch Kosten. Fragen wie: „Welche Transportwege sind sinnvoll bzw. notwendig? Gibt es Alternativen? Müssen immer alle MitarbeiterInnen am Standort sein? Kann man reparieren statt wegwerfen?“, klingen nicht nur logisch, sondern werden nach wie vor zu selten gestellt oder nur oberflächlich beantwortet.

2. Keine neue Steuerbelastung

Österreich nimmt in der EU bereits jetzt (Stand 2017) den sechsten Platz ein, 42,4 % beträgt die Steuerquote im Verhältnis zum BIP. Nur im dirigistischen Frankreich, beim Nachbarn Belgien und in den skandinavischen Ländern ist die Belastung höher. Während allerorts von CO2-Abgaben gesprochen wird, konstatiert Franz Schellhorn von der Agenda Austria: „Hierzulande wird ja neuerdings so getan, als gäbe es keine CO2-Steuern. Dabei gibt es sie längst, sie heißen nur anders.“ In Summe werden 10 Milliarden Euro eingenommen, um 29 % mehr als noch vor zehn Jahren. Mineralölsteuer, NOVA, Energieabgaben usw. existieren bereits.

Nun ist nichts gegen steuernde Maßnahmen des Staates einzuwenden, so lange sie aufkommensneutral sind. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass neue Steuern nur selten die Abschaffung anderer Einnahmen nach sich ziehen – die Einnahmen aus Steuern und SV-Beiträgen stiegen 2017 um 3,5 und 2018 um 5,3 % im Vergleich zum Vorjahr, jedenfalls ein Vielfaches der Inflationsrate.

Vor allem aber ist eines entscheidend, wie auch die Europäische Umweltagentur anmerkt, die die Wirkung von Ökosteuern in Europa untersucht hat: „Einen wesentlichen Beitrag zur ökologischen Wirksamkeit von Abgaben zur Kostendeckung leistet die Verwendung der Einnahmen für die Finanzierung damit verbundener Umweltschutzmaßnahmen.“ Die Verwendung der Einnahmen (das Verschwinden im Gesamtbudget) aus der Mineralölsteuer hat jedenfalls auch gemäß einer aktuellen Untersuchung des Energieinstitutes an der Linzer Johannes Kepler Universität keine positiven Auswirkungen auf die Umwelt.

3. Innovationsförderung

Der Verzicht auf Auto, Flugzeuge, haltbare Lebensmittel wird den Menschen in den Wohlstandsgesellschaften nur bedingt beizubringen sein – und schon gar nicht den Schwellenökonomien, die sich im Moment abrackern, um den gleichen Lebensstandard wie Europäer und Amerikaner zu errei- chen. Ein Beispiel: Wenn in China die Bevölkerung in Zukunft den gleichen Wohnraum in Anspruch nimmt, wie wir es in Europa gewöhnt sind, ist in den nächsten drei Jahrzehnten die Errichtung von 1.000 (!) Städten in der Größe Wiens notwendig. Und natürlich auch Zement, Stahl, Glas und Co. Das ist mit Klimaschutzzielen nicht vereinbar und so werden sie auch nicht erreicht werden. Wichtig sind daher vor allem Innovationen in den Bereichen Bau, Transport und Energiegewinnung – die Verarbeitung des produzierten CO2 ist dabei nur ein möglicher Gedanke (siehe auch Artikel „Inno- vation Energie“ – CO2 als Rohstoff). Nur wenn hier Durch- brüche gelingen und investiert wird, wird eine Trendwende geschaffen. Hoffnung macht dabei der Umstand, dass auch potenzielle Katastrophen wie der „saure Regen“ oder das Ozonloch eingedämmt oder abgewendet wurden.

4. Bildung

Information, Aufklärung und Weiterbildung aller Stakeholder. Im Mikrozensus der Statistik Austria wurde 2017 erhoben, dass Menschen mit Matura oder Uniabschluss signifikant mehr zur Mülltrennung bereit sind als Menschen mit Pflichtschulabschluss (zur Erinnerung: Es gibt dazu ein Gesetz und einen Strafkatalog!). Dies lässt den Schluss zu, dass hier auch das Bewusstsein höher ist, denn Mülltrennungsverhalten hat – anders als die Einkaufsgewohn- heiten, wo Bio eben oft auch teurer ist – seinen Ursprung nicht in der unterschiedlichen Einkommenssituation. Auch der Umgang mit Fake-News, die zum Teil gerade im Umweltsegment seltsame Blüten hervorrufen, ist für Menschen mit höherem Bildungsgrad leichter. Hier sind sämt- liche Institutionen des Staates, der Wirtschaft (der ÖGV sorgt zum Beispiel in zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen für mehr Information) gefordert, die Anstrengungen zu erhöhen – „Information statt Demonstration“ wäre zum Beispiel ein probates Motto für Schulen und Universitäten. Und wenn man beim AMS nach Weiterbildungsangeboten mit dem Stichwort „Umwelt“ sucht, dann ist das Ergebnis: null! In der generellen Weiterbildungsdatenbank findet sich ebenfalls nur ein geringer Teil an Aus- und Weiterbildungen zu diesem Bereich, lediglich die TÜV Austria Akademie bietet Kurse. Die Wirtschaftskammer bietet immerhin auf ihrer Website einen eigenen Menüpunkt zum Thema Umwelt und Energie, in dem wichtige Informationen zusammengefasst sind – aber bei Events und Seminaren herrscht auch hier Nachholbedarf.

5. Neue Strategien

Um eines wird man als Unternehmen nicht herumkommen – den Umgang mit gesellschaftlichen Strömungen in die Strategie der Zukunft miteinfließen zu lassen. Mag es dem einen oder anderen „gestandenen“ Unternehmer auch noch so nervig erscheinen – die Kunden der Zukunft werden anders denken. Plastikverpackte Gurken werden ebenso am Prüfstand stehen wie Städtekurzreisen und SUVs. Die öffentliche Meinung prasselt in Form von Social Media und Bewertungs-App auf Dienstleister und Produkte schneller herein, als man neue entwickeln kann. Das Tempo wird mit jedem Tag höher und die Mitbewerber schlafen bekanntlich auch nicht. Noch dazu, wo heute ein Schuster aus Gänserndorf nicht nur mit jenem aus Deutsch-Wagram in Konkurrenz steht, sondern auch mit Produzenten aus Bangladesch. Es gilt aber genauso: Diese Entwicklungen sind eine Chance für österreichische KMUs mit Qualität zu punkten – weil Regionalität ja ein wichtiger Faktor der Nachhaltigkeit ist.

Autor: Ronald Goigitzer