19/10/2021

Unternehmertum. Wie Wirtschaft, Forschung und Bildung zusammenspielen – und welche Tradition das im ÖGV hat

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Nur wenn ein Rädchen ins andere greift, geht es voran. Peter Lieber ist mehrfacher Unternehmensgründer und hat das schon viele Male erlebt. „Innovation“, sagt er, „ist nichts, was einem passiert, sondern planbar – und etwas, das laufend stattfinden muss.“ Ohne Innovation kein erfolgreiches Unternehmertum.

Peter Liebers Softwarefirma LieberLieber etwa arbeitet an modellbasierten Softwareund Systemarchitekturen in Bereichen, in denen Software und Systeme potenziell Menschenleben gefährden können – wie zum Beispiel in der Automobilindustrie. Derzeit bereitet das Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung unter anderem ein großes internationales Projekt rund um die Effizienz von E-Motoren und Batterien vor. Im Idealfall steht am Ende ein Nutzen für viele. Von Innovationen können dann Unternehmen und die Gesellschaft profitieren.

Ständiger Brückenschlag
Forschung und Entwicklung treiben Innovation maßgeblich an. In Österreich wurden 2020 Statistik Austria zufolge 12,1 Milliarden Euro (etwas weniger als 2019, also vor Corona) in den Bereich investiert. Die Hälfte davon kam wie in den Vorjahren aus den Unternehmen, die in eigenen Abteilungen forschen oder mit Forschungsinstitutionen zusammenarbeiten.

Dass Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft zusammengedacht werden müssen, sieht Peter Lieber nicht nur als Unternehmer so, sondern auch als Präsident des Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV). Der ÖGV ist die älteste heimische Interessensvertretung für Unternehmer und hat auch, was den Brückenschlag zwischen Unternehmertum und Forschung angeht, eine lange Tradition.

In diesem Bereich feiert der ÖGV heuer ein besonderes Jubiläum: Vor 100 Jahren verlieh er erstmals die Wilhelm-Exner-Medaille. Erster Träger des hochkarätigen Wissenschaftspreises war 1921 dessen Namensgeber, der sich in vielen Bereichen im Spannungsfeld zwischen Unternehmertum und Forschung verdient machte.

„Wilhelm Exner war eine Lichtgestalt im Antreiben von Bildung und Forschung zu unternehmerischer Umsetzung“, sagt Stefan Radel.

Er ist Vorsitzender der Wilhelm-Exner-Stiftung, die der ÖGV gründete und im Präsidium des Gewerbevereins für Bildung und Wissenschaft zuständig. Auch aus seiner Sicht trägt angewandte Forschung entscheidend zu unternehmerischem Erfolg und gesellschaftlichem Fortschritt bei. Zwar werde nicht alles, was in den Universitäten und Co ersonnen wird, ein Produkt, so Radel: „Aber kaum etwas, das ein Produkt wird, wurde nicht in Wissenschaft und Forschung behandelt.“ Der ÖGV, so Radel, sehe in diesem Spannungsfeld eine besondere Verantwortung als Interessensvertretung.

Worauf also kommt es an, damit Unternehmen und Forschung voneinander profitieren? „Es geht um Teamfähigkeit, Zusammenarbeit und ein Verständnis davon, was der andere kann, was er braucht und was er sinnvollerweise liefert“, fasst Stefan Radel zusammen.

Nachwuchs begeistern
Radel selbst ist Physiker und seit drei Jahren mit dem Unternehmen usePAT selbstständig, einem Spin-off der TU Wien, das sich mit Messungen in Flüssigkeiten – vom Pharmabereich bis hin zu Abwasser und Mikroplastik in Wasser – auseinandersetzt. Das junge Unternehmen entwickelt in diesem Bereich laufend neue Anwendungen, ist also „innovationsaktiv“.

In den Jahren 2016 bis 2018 waren das laut Statistik Austria beinahe zwei Drittel der in Österreich tätigen Unternehmen. Sie brachten demnach neue oder verbesserte Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt oder führten etwa verbesserte Geschäftsprozesse im Unternehmen ein. Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung „auf den Boden zu bringen, also Innovation nicht nur zu träumen, sondern umzusetzen“, wie ÖGV-Präsident Lieber das nennt, funktioniert in Österreich also grundsätzlich.

Aber es gibt auch Innovationshemmnisse. Laut Statistik Austria ist der Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines der größten. Dieses Problem sehen auch Peter Lieber und Stefan Radel. Es komme etwa nicht selten vor, dass Unternehmen sozusagen mit ihren Gründern in Pension gehen, weil keine Nachfolger aufgebaut wurden.

Im ÖGV gibt es in diesem Zusammenhang eine Reihe Aktivitäten rund um die Themen Bildung, Ausbildung, Nachwuchs und eben auch Innovation, Internationalisierung, Vermarktung. Beispiele sind etwa eine Aktion mit Partnerschulen, die Interview Challenges, die jährlichen Exner Lectures, aber auch Serien wie der Innovations Circle, der Internationale Klub, die Wachstumsinitiative oder die Green Deal Excellence. „Letztlich geht es darum, sich im vertrauensvollen Austausch unter Gleichgesinnten zu Neuem inspirieren zu lassen,“ so Peter Lieber. Denn eines setzt Innovation in jedem Fall voraus: Begeisterung.


Autor: Benjamin Koffu, KURIER – Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Kooperation mit der Tageszeitung KURIER am 17.10.2021 ebendort erschienen.