08/09/2022

Unternehmer fordern statt Bremse ein paradoxe Intervention am Strommarkt

Eine effiziente Strompreisbremse setzt bei der Erzeugung, nicht bei der Rechnung an.

Mit dem halben Geld könnte ein Vielfaches erreicht werden.

Die vorgeschlagene Strompreisbremse setzt am teuersten Punkt, der Rechnung, an. Reduktionsanreize bleiben fragwürdig. Der Strompreis kann und muss auf europäischer Ebene gesenkt werden, Einsparungsmaßnahmen haben Priorität. Der Präsident des Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV), Peter Lieber, regt eine paradoxe Intervention an: „Deckeln wir die Gestehungskosten für die Kriegsdauer direkt bei der Stromerzeugung in den Gaskraftwerken. Damit erreichen wir mit einem Bruchteil des eingesetzten Geldes mindestens die Effekte der Strompreisbremse. Unterstützen wir jene, die selbst einsparen ab dem ersten Kilowatt oder fördern wir noch stärker jene, die neue Projekte für die Erzeugung erneuerbarer Energie auf den Weg bringen.“

Gesamtlösung statt Boni-Sammlungen

Noch bevor die Energieminister der EU am Freitag zusammenkommen, um über wirksame Eingriffe in den Strom- und Energiemarkt zu sprechen, überschlagen sich die Mitgliedsstaaten, allen voran Österreich mit Unterstützungsankündigungen. Bevorzugtes Mittel der Wahl ist der als Strompreisbremse getarnte Endkundenrechnungsbeitrag. Lieber stellt fest: „Wie schon bei den COVID Unterstützung setzen wir auf massenhafte nationale Kleinstunterstützungen und konzentrieren uns nicht auf eine konzertierte Lösung auf europäischer Ebene. Der nationalerAnsatz ist der teuerste Vorschlag. So dringend eine Problemmilderung auch ist, der vorgelegte Zugang ist ineffizient und damit nur schwer nachzuvollziehen. Dafür haben wir Unternehmer ein gutes Auge.“
Bislang profitieren Österreicher vielfältig. So sind Energiegutschein, Teuerungsausgleich, Familienbonus, Klimabonus, Anti-Teuerungsbonus, Teuerungsabsetzbetrag die beliebtesten Stars im Energie-Einspar-Album. Substanzielle Erhöhungen des Energiekostenzuschuss, der Strompreiskompensationen für große und weitere Unterstützungen für kleinere Betriebe stehen dem Vernehmen nach noch aus. Bundesländer tragen das ihre zum Bonusdschungel bei. Es läppert sich zusammen, die Kosten belaufen sich auf weit über 30 Milliarden Euro. „Würde man nur einen Teil des für die Strompreisbremse geplanten Geldes auf EU-Ebene einsetzen, könnten wir uns alle anderen Boni und Unternehmensstromzuschüsse ersparen und eine drohende Überförderung wäre hintangehalten. Auch die Übergewinnsteuer würde sich erübrigen, sie fände nicht mehr statt. Zudem könnte dies inflationsmindernd wirken,“ umreisst Lieber bestechende Vorteile des ÖGV-Ansatzes.

ÖGV-Modell: Halber Strompreis sofort

Der ÖGV regt an, dass die Bundesregierung mit einem eigenen, starken Vorschlag in die EU-Diskussion einsteigt und bietet eine insgesamt auswirkungsmächtige Lösung an: „Die Energieministerin und der Finanzminister mögen in ihren Räten am Freitag eine sofortige Halbierung des Strompreises durch Subvention der Gas- und in manchen Ländern wohl auch der Kohlekraftwerke einfordern. Auf Zeit muss der verstörte Strommarkt gelenkt werden. Es stehen Existenzen, Betriebe, Arbeitsplätze, Wohlstand auf dem Spiel. Die Kommission muss ohne weitere Verzögerung handeln, die Bundesregierung möge das sicherstellen,“ so Peter Lieber.
Zum Modell: Aktuell treibt der Gaspreis auch den Strompreis. Während Sonnen-, Wind oder Wasserkraft Gestehungskosten von zwei bis acht Cent pro kWh haben, speisen Gaskraftwerke ihren Strom aktuell zum Rekordpreis ein. Das Merit-Order Prinzip, das zuerst die Energie-Sicherheit bedient und dann den Preis ermittelt, trägt dieses Vielfache zu den Verbrauchern. „Wir wollen weder ein Black-Out riskieren noch die Staatskassen plündern,“ spielt Lieber auf die aktuelle Preisdeckel und -bremse-Diskussion an: „Der Strompreis muss sofort runter, um ein Drittel, besser um die Hälfte. Langfristige Lösungen können danach diskutiert werden!“

Das ÖGV-Modell: Wer beim Gas ansetzt, hebelt 100% des Strommarktes

  1. Durch Stützen des Gaseinkaufs der Verstromungskraftwerke z.B. mit der Hälfte werden die Produktionskosten beim teuersten Produzenten unmittelbar um 50% gekappt. Der neue Preis muss so am Markt angeboten werden.
  2. Das eingespielte Merit-Order-System (!) zwingt alle anderen Produzenten automatisch, den jetzt niedrigeren Höchstpreis zu verrechnen.
  3. Der Verbraucherpreis ist halbiert, der Staat subventioniert mit einem besseren Ergebnis aber nur einen kleinen Anteil – etwa 7,5% – da nur knapp ein Sechstel des Stroms aus Gas erzeugt wird – und nicht den gesamten Strommarkt, wie er es bei einer Verbraucher-Preisdeckelung tun müsste.
Auf nationaler Ebene sollten Einsparungen der Verbraucher mit einem einfachen Prämiensystem dem ersten Kilowatt belohnt werden – z.B. 1,- pro eingesparter kWh im Vergleich zum Vorjahresverbrauch. Unternehmen, die in erneuerbare Energiegewinnung investieren, müssen noch intensiver gefördert und durch Verfahrenserleichterungen unterstützt werden.

Der ÖGV spricht sich gegen Strompreisbremsen, Strompreisdeckel und aus Gründen der Black-Out-Abwehr gegen das Aussetzen des – sehr diskutablen – Preisermittlungssystem ‘Merit-Order‘ aus.

Noch vor anderen Notmaßnahmen, wie etwa die Senkung der Umsatzsteuer, verlangt der ÖGV von der Bundesregierung auf die Kommission einzuwirken und ganz am Beginn des Erzeugungsprozesses, direkt in den Kraftwerken, anzusetzen. Peter Lieber: „Wir legen einen einfach realisierbaren Vorschlag auf den Tisch, der außerdem damit besticht, dass er auch der Billigste ist. Wir hoffen, dass die Bundesregierung ihre Chance erkennt, Initiative ergreift und diesen der Kommission schmackhaft machen kann!“
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