14/09/2021

Kompliziert, schweigsam, unterbesetzt, redundant

Mangelhafte Transparenz der Covid-Hilfsmaßnahmen-Abwicklungsorganisationen war vorhersehbar und bleibt unnötiger Hemmschuh

Zum aktuellen Bericht des Rechnungshofes

Der Österreichische Gewerbeverein hatte schon frühzeitig – im April und Mai 2020 – die neu geschaffene Vielzahl an Hilfsstrukturen und -fonds kritisiert. ÖGV Generalsekretär Stephan Blahut: „Wir wussten alle noch gar nicht, was da auf uns zukommen würde, doch war bei allen guten Absichten von Anfang an der Wurm drin. Wir haben dringend dazu geraten, die Hilfen über vorhandene Institutionen abzuwickeln, die von Haus aus die notwendigen Informationen kennen und so eine Auszahlung der Unterstützungsgelder binnen Wochenfrist möglich gemacht hätten. U.a. die Schweiz konnte vorzeigen, wie man das macht. Doch wurden aus nicht nachvollziehbaren Gründen die österreichischen Finanzämter links liegen gelassen und unzählige neue, immer andere, umständliche Prozesse und eklatant unterbesetzte Strukturen wurden aus dem Boden gestampft. Einige Konstruktionen hatten von Anfang an einen fahlen Beigeschmack.“

Die perfekte Verwirrung

Auch empfahl der ÖGV, übliche, eindeutige, für alle Betriebe gleiche Richtlinien zu erlassen: Beispielsweise auf Basis der kumulierten Vorjahresumsätze, jeweils ein Zwölftel pro Monat sofort und dann laufend auszuzahlen; der Antragsteller muss die Förderwürdigkeit garantieren; wo Geschäftsführer persönlich haften, ist Überförderungen kaum möglich; Prüfungen erfolgen erst nach der Krise – dafür ist jetzt keine Zeit – mit entsprechend langen Zeiträumen; Missbrauchstrafen sind hoch, Regelbruch führt zur Rückzahlung der Auszahlungen– nichts Neues also. Auch dies kam anders. „Viel Köche wollten sich die Chance nicht entgehen lassen, mitzumischen. Der Brei ist beinahe völlig verdorben,“ beschreibt Blahut die Herausforderungen für kleine Betriebe an rasche Hilfszahlungen zu kommen.

Ungeeignete Abwickler

Wider dem gewohnten Standard wurden mehrere Black-Boxen erschaffen. Manche als ausgegliederte Gesellschaften, andere von der eigenen Zwangsmitgliedervereinigung administriert. „Es schlägt dem Fass die Krone aus, dass jene Finanzämter, die zunächst nicht geeignet gewesen sein sollen, die Zahlungen festzustellen und abzuwickeln, dann als Zitat: ‚Gutachter und nicht in ihrer Funktion als Abgabenbehörde des Bundes‘, also in nicht-hoheitlicher Funktion zugezogen, ein Verfahrensschritt, der oft das erste Lebenszeichen eines Hilfsmaßnahmen-Verfahrens war.“

Behörde oder doch nicht?

Problematisch ist weiterhin, dass z.B. die COFAG keine Behörde ist. Sie ist eine ausgegliederte Gesellschaft des Bundes, in deren operative Geschäftsangelegenheiten auch das Finanzministerium nicht einsehen darf. Es gibt daher auch kein Verfahren im klassischen Sinne. Blahut: „Wer mit dem Ergebnis der Prüfung nicht einverstanden ist, wird dagegen auf zivilrechtlichem Weg Klage erheben müssen. Die erwartete, übliche Möglichkeit zum Einspruch, die jedes Amtsverfahren bietet, gibt es nicht.“

Der ÖGV regt eine flächige Aufarbeitung der Covid-Hilfen durch den Rechnungshof an: Nicht nur Umfang und Struktur der finanziellen Hilfsmaßnahmen, wie zuletzt im Juni des Jahres, alle Fonds, Organisationen und Gesellschaften, die in die Covid-Hilfsmaßnahmen eingebunden sind, insbesondere COFAG, NPO-Fonds und viel mehr noch den Härtefallfonds, mögen untersucht werden: „In der nächsten Krise wollen Unternehmer und Bürger besser, effizienter, ziel- und zukunftsgerichteter unterstützt werden. Keine Überförderungen, aber auch keine verhinderbaren Risken aufgrund zu langer Verfahren. Vor allem muss klar zwischen Behörde und privaten Organisationen unterschieden werden: So wird ohne jede Not der Härtefallfonds von der Wirtschaftskammer abgewickelt. Das verstehe wer will. Ein Schelm auch, der hier eine verdeckte Finanzierung der Kammer durch Steuergeld vermutet,“ weist ÖGV Generalsekretär Stephan Blahut auf eine auch datenschutzrechtlich schwierige Konstellation hin.

Murphys Law

Der ÖGV bleibt auch im zweiten Pandemiejahr bei seiner Meinung, die COFAG und alle anderen Covid-Unterstützung-Fonds sollten rückabgewickelt werden. Nicht weil die Mitarbeiter dort nicht großen Einsatz zeigten: Die Verfahren gehören grundsätzlich ordentlich beim Finanzamt angesiedelt. Die Covid-Zeit ist aber schon so weit fortgeschritten, dass es wenig lohnt über die viele verschüttete Milch zu jammern und stattdessen die Augen auf die Bewältigung der Herausforderungen zu lenken. „Mit den Erkenntnissen von heute sollte es gelingen, von der österreichischen Almosen-Mentalität und einer Heerschar an potenziellen Kriegsgewinnlern wegzukommen, um langfristig tragfähige Lösungen zu setzen. Das Finanzamt hätte es ganz allein, schneller, zielgerichteter und vor allem sauber erledigen können,“ sieht Blahut eine Chance auf Erkenntnis in der Politik reifen, den vorhandenen, gewohnten Einrichtungen wieder zu vertrauen.

Für die nächsten Monate empfiehlt der ÖGV den Aufbau von genügend Kapazitäten in den Organisationen, um Rückstände abzubauen und auch kompliziertere Verfahren rasch abwickeln zu können.

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