16/10/2018

UNTERNEHMERISCH GESEHEN – TIT FOR TAT.

Oder: Wie baue ich ein vertrauensvolles Umfeld für unternehmerisches Handeln nach einer Übergabe?

(Autor: Georg Greutter)

Das Schaffen von vertrauensvollen Arbeitsumgebungen ist eine der größten Herausforderungen im unternehmerischen Handeln der Gegenwart. Starker Wettbewerbsdruck, Schnelllebigkeit und eine vielseitige Informationsflut kommen erschwerend hinzu. Gerade eine Übergabe ist also wie jede andere Verschiebung von Macht und Verantwortung in seinem Erfolg am stärksten durch den Faktor Vertrauen beeinflusst.

Eine vertrauensvolle Umgebung im Unternehmen nachhaltig herzustellen ist keine einfache Übung. Insbesondere dann nicht, wenn Veränderungen im System spürbare Folgen auf den persönlichen Einfluss im Unternehmen, auf die eigenen Verantwortungsbereiche und auf die Verschiebung von Kompetenzen haben.

Plötzlich poppen neue Mitarbeiter-Vereinbarungen auf, die scheinbar mit den VorgängerInnen ausgemacht wurden. Kunden nutzen die neue Situation um die Preisverhandlung frisch anzukurbeln, um offene Themen zu klären oder um die fehlende Beziehungsebene als Kündigungsgrund anzuführen. Auch die Bank neigt gerne dazu anlässlich der Übernahme die Rahmenbedingungen zu verändern und ihr Risiko zu minimieren, indem sie die Sicherheiten erhöht.

Erfolgschancen?

Wäre die Übergabe von Misstrauen geprägt, so stellten diese Ereignisse für alle wesentlich beteiligten Parteien (Übergeber, Übernehmer, Mitarbeiter, Kunden, Bank, etc.) eine deutliche Minderung der Erfolgschancen einer Übernahme dar. Ein erfolgreicher Generationenwechsel ist also, wie jede andere Änderung bei Macht oder Verantwortung in einem System, von einer guten Vertrauensbasis abhängig.

In der Spieltheorie gibt es für den nachhaltigen Vertrauensaufbau in einer Kooperation einige erfolgreiche Strategien. Die wohl bekannteste daraus ist die „Tit for Tat Strategie“. Sie beschreibt die Taktik eines Spielers, der in einem fortgesetzten Spiel im ersten Zug kooperiert (sich „freundlich“ verhält) und danach genauso handelt wie der Gegenspieler in der vorhergehenden Spielrunde. Hat der Gegenspieler zuvor kooperiert, so kooperiert auch der Tit-for-Tat-Spieler. Auf einen defektierenden Gegenspieler in der Vorrunde (ein Defektor lehnt die Zusammenarbeit ab), antwortet der Tit-for-Tat-Spieler (zur Vergeltung) ebenfalls mit Defektion.

Tue anderen so, wie sie dir getan haben

Tit for Tat ist eine englische Redewendung, die grob mit „Zug um Zug“ oder „Wie du mir, so ich dir“ beschrieben werden kann. Das gute alte „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ in Kombination mit einer kooperativen Grundhaltung beschränkt also nicht nur Vergeltungsakte und hält Strafen gering, sondern hilft auch dabei Belohnungen hoch zu halten – unabhängig davon wie das Gegenüber sich verhält. Tit for Tat gilt daher eine freundliche Strategie.

Der Nachteil: Tritt diese Vorgehensweise gegen einen konsequenten Verräter an, so wird sich dieser durchsetzen. So ist es auch in der Praxis extrem schwierig aus einem Konfliktzustand heraus durch den einseitigen Waffenstillstand die Einstellung der gegnerischen Strafaktionen zu erreichen. Tit for Tat ist auch anfällig für Störungen in Prozessen, die über mehrere Jahre hinweg gehen, da ein einziges Missverständnis auf unbestimmte Zeit widerhallen kann.

Diese Schwäche versuchen weiterentwickelte Strategien zu überwinden. Eine solche „nachsichtigere“ Variante ist Tit for two Tats: Erst nach zweimaliger Defektion wird selbst unfreundlich reagiert. Der Vorteil ist die geringere Anfälligkeit gegenüber Kommunikationsfehlern.

Und genau da sind meiner Meinung nach wir am Punkt der Herausforderung: Es gibt keine funktionierende Strategie um eine vertrauensvolle Kooperation zu schaffen. Aber es gibt eine nachhaltige, ethische und zuversichtliche Grundhaltung, unterstützt durch wertschätzende Kommunikation, mit der man in einen Übergabeprozess gehen kann. Die Devise lautet also: Tit for as much Tats as you can afford – gehe vertrauensvoll und freundlich in eine Kooperation, und bleibe so lange wie Du es für Dich möglich ist, ohne ausgebeutet zu werden oder selbst auszubeuten.

Georg Greutter, MBA, Unternehmensberatung win-y

„Verantwortungsvolles Wirtschaften entsteht, wenn ethisches Handeln als Grundbedingung gilt. Wir müssen einer definierten Werteorientierung folgen um unternehmerische und ethische Verantwortung gegenüber Mensch, Umwelt und Gesellschaft zu gewährleisten.“

Bis Ende 2018 ist Georg Greutter, MBA als COO der SIMACEK Gruppe. Davor leitete der ausgebildete Betriebswirt und Versicherungskaufmann sein eigenes Beratungsunternehmen. Weitere erfolgreiche berufliche Stationen waren die Geschäftsführung von EuropeNet NV/SA in Brüssel sowie einem führenden Österreichischen Versicherungsunternehmen, in dem er mehr als zwölf Jahre tätig war. Der Fokus seiner Tätigkeiten lag und liegt in den Bereichen Organisationsentwicklung und Marketing/Vertrieb. Darüber hinaus ist Georg Greutter Obmann des Vereins „Österreichisches Netzwerk Wirtschaftsethik“.