ÄRZTE OHNE GRENZEN - AUSSCHLAGGEBEND IST DER BEDARF.
In Wirtschaftskreisen wird viel über Unternehmen und Ethik gesprochen. Wie stehen aber Hilfsorganisationen dem Thema Corporate Social Responsibility (CSR) gegenüber? Interview mit Claudia Ackerl, der Leiterin der Major Donor Unit bei Ärzte ohne Grenzen Österreich.
Wenn Sie an CSR denken – was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Gelebte Corporate Social Responsibility ist das harmonische Zusammenspiel von wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlicher Verantwortung
Was empfinden Sie als positiv an CSR?
Wenn Unternehmen CSR wirklich ernst nehmen, bietet sie ihnen eine gute Möglichkeit, sich wirkungsvoll gesellschaftlich zu engagieren, und auch das Umfeld, in dem sie sich bewegen, mitzugestalten. Insofern handelt es sich um ein zukunftsfähiges Konzept für Unternehmen, die bereit sind, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Was empfinden Sie als negativ an CSR?
Die „inflationäre“ Verwendung des CSR- und Nachhaltigkeits-Begriffes. Allzu oft wird versucht, sich nach außen mit minimalem Aufwand und CSR-Engagement maximal nachhaltig darzustellen. Das hat dann natürlich nur wenig mit tatsächlicher Verantwortung oder Nachhaltigkeit zu tun.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie in der Zusammenarbeit mit großen Unternehmungen konfrontiert?
Ärzte ohne Grenzen ist selbst eine große, internationale Organisation mit 24 Mitgliedsverbänden. Wir sind in rund 70 Ländern tätig und führen pro Jahr etwa neun Millionen medizinische Behandlungen durch. Es gibt also viele Ansatzpunkte, wo Unternehmen, die uns unterstützen wollen, andocken können. Die Möglichkeit, uns über unterschiedliche nationale Niederlassungen zu unterstützen, macht für große Unternehmen eine Zusammenarbeit mit MSF interessant. Eine Herausforderung kann sein, wenn Unternehmen zu genaue Anforderungen haben. Wir versuchen natürlich immer auf ihre Wünsche einzugehen, wenn diese bestimmte Projekte unterstützen wollen; dies stellt uns aber manchmal auch vor Herausforderungen. Unsere Nothilfe ist rein bedarfsorientiert, wir arbeiten verstärkt in Krisen, die nicht im Medien-Fokus stehen; ausschlaggebend ist für uns der Bedarf der betroffenen Bevölkerung, nicht die Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund bevorzugen wir ungebundene Spenden, sie ermöglichen uns als Nothilfeorganisation, flexibel, rasch und effizient zu reagieren.
Haben Sie starke Regulierungen die Sie erfüllen müssen, damit man Sie unterstützen kann?
Grundsätzlich nimmt Ärzte ohne Grenzen Spenden von Unternehmen, Stiftungen, Institutionen und anderen Spendern nur an, wenn diese mit unseren Grundwerten und der internationalen Charta von Ärzte ohne Grenzen vereinbar sind. Wir haben eine Liste mit Branchen, mit denen wir nicht kooperieren; Unterstützung aus Bereichen wie der Rüstungs-, Pharma- und Tabakindustrie lehnen ab. Grundsätzlich führen wir bei Spenden ab 3.000 Euro einen Ethik-Check durch. Uns ist wichtig, dass es für beide Seiten eine ideale Kooperation ist.
Ist CSR aus Ihrer Sicht ein Mascherl, das sich ein Konzern als Marketingtool umbinden darf, oder macht es wirklich Sinn?
Nicht nur wir als NGO, auch andere Stakeholder eines Unternehmens erkennen sehr schnell, ob dessen CSR-Aktivitäten tatsächlich durchdacht und gelebt werden, oder aber als rein oberflächliche Marketing- und Kommunikationsinstrumente fungieren. Je besser einzelne CSR-Aktivitäten zum Unternehmen selbst, seinen Tätigkeitsfeldern und Wirkungsländern passen, desto authentischer sind sie. Ein von einer Agentur optisch perfekt konzipierter Nachhaltigkeitsbericht mit dürftigem Inhalt kann eine schlechte Außenwirkung haben.
Wie empfinden Sie die neuen CSR-Bestimmungen?
Kann man diese als Verbesserung betrachten?
Ein verpflichtendes CSR-Reporting für bestimmte Unternehmen gemäß der CSR-Richtlinie der EU übt sicherlich bis zu einem bestimmten Grad eine Hebelwirkung einerseits auf betroffene, andererseits auch auf nicht betroffene Unternehmen aus. Inwieweit die neuen Bestimmungen das tatsächliche Engagement von Unternehmen beeinflussen, wird sich wahrscheinlich von Fall zu Fall unterschiedlich auswirken.
Was ist der CSR-Schwerpunkt von „Ärzte ohne Grenzen“?
Das CSR-Motto von Ärzte ohne Grenzen Österreich lautet „Professionelle Partner – professionelle Hilfe“. Wir sind ein kompetenter CSR-Partner, der es Unternehmen ermöglicht, ihr Engagement mit konkreten Kooperationsmöglichkeiten zu verbinden – und so gemeinsam wirkungsvolle humanitäre Hilfe zu leisten und Menschenleben zu retten. Bei allen Kooperationsformen ist uns eine Win-Win Situation wichtig. Wir nehmen uns gerne Zeit, führen mit jedem Partner detaillierte Gespräche und erstellen Kooperationsformen, die auf unseren Kooperationspartner zugeschnitten sind.
Können Sie Beispiele nennen?
Es gibt Unternehmen, die einfach eine gewisse Geldsumme spenden wollen. Aber es gibt auch differenziertere Ausprägungen, wo Unternehmen eine Spende an ein bestimmte Projekt oder eine Region binden. Bei größeren Summen werden auch Verträge aufgesetzt. Oft besteht auch der Wunsch, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Zusammenarbeit eingebunden werden sollen. Gemeinsames Helfen motiviert, schafft Bewusstsein für soziale Verantwortung und bringt Menschen näher zusammen. Hier unterstützen wir z.B. mit Vorträgen von unseren Einsatzmitarbeitern, regelmäßigen Informationen bis hin zu Umsetzung von Mitarbeiter-Sammelaktionen.
Info:
Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) ist eine private und unabhängige Hilfsorganisation, die 1971 in Paris gegründet und 1999 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ärzte ohne Grenzen Österreich trägt seit 2001 das österreichische Spendengütesiegel, das den widmungsgemäßen und wirtschaftlichen Umgang mit Spenden sowie eine ordnungsgemäße Spendenverwaltung bestätigt. Ärzte ohne Grenzen erfüllt alle Voraussetzungen zur Erlangung der Spendenabsetzbarkeit.
Spendenkonto:
Erste Bank
IBAN: AT43 2011 1289 2684 7600
BIC: GIBAATWWXXX