28/08/2019

Beweisen Sie Rückgrat!

Ob hungrige, hochmotivierte Jungunternehmer mit einer guten Idee im Gepäck und dem unbedingten Willen zum Erfolg oder etabliertes KMU: Bei der Vielzahl an Aufgaben, die von Unternehmern zu meistern sind, ist es für den Erfolg entscheidend, das eigene Geschäftsmodell regelmäßig zu hinterfragen und die wirtschaftlichen Kennzahlen unter Kontrolle zu haben. Am besten nicht einmal im Jahr, sondern laufend. Nur so können sich Unternehmen auf ein gesundes Rückgrat ihres Geschäfts verlassen.

 

Nicht jeder Gründer oder Geschäftsführer zählt den Finanzbereich eines Unternehmens zu seiner leidenschaftlichen Kernkompetenz.

Das ist auch in Ordnung. Es ist kein Fehler, den Hauptfokus auf Kundenakquise, Produktentwicklung, Onlinepräsenz und Qualitätsmanagement zu richten.
Jedoch: Das Geschäftsleben wurde in den letzten Jahren extrem schnelllebig. Es reicht nicht mehr aus, einmal einen Businessplan zu schreiben und das gewählte Geschäftsmodell unreflektiert für die nächsten 20 Jahre beizubehalten. Vielmehr sollten Jungunternehmer und KMUs ihre Geschäftsmodelle laufend hinterfragen vor dem Hintergrund disrupiver Entwicklungen, die ganze Branchen innerhalb weniger Jahre auf den Kopf stellen oder gänzlich auslöschen. Man denke zum Beispiel an die Fotoausarbeitung und die Firma Kodak oder an den Trend zur Schließung von physischen Bankfilialen und vieles mehr.

UnternehmerInnen verfügen mitunter über ein ausgezeichnetes Bauchgefühl. Es schläft sich jedoch um einiges besser, wenn dieses Bauchgefühl mit konkreten Zahlen aus dem eigenen Management-Cockpit unterstützt wird.

Ein monatliches Berichtswesen, das sich ausschließlich mit den Zahlen der jüngeren Vergangenheit auseinandersetzt, ist als Informationsquelle für
 das Management nicht aus-reichend. Die Fokussierung
 im klassischen Reporting auf
 Soll-Ist-Vergleiche (also der
 Vergleich von aktuellen Ist
-Zahlen mit Budgetannahmen
vom August des Vorjahres)
bringt wohl weniger Erkenntnisgewinn als die revolvie
rende Vorausschau (Forecast) für die nächsten 18 Monate basierend auf den Istwerten der aktuellen Monate. Dieser Report sollte angereichert sein um aktuelle Markt- und Konkurrenzinformationen, Veränderungen im Konsumentenverhalten, Informationen zu technologischen Neuentwicklungen, Vernetzungsstrategien, horizontale bzw. vertikale Produktdifferenzierungen und Ähnliches mehr sowie um einen konkreten Maßnahmenkatalog und Handlungsempfehlungen. Wenn man so will: ein monatlicher „Business Plan Light“.

Ein Beispiel aus der Praxis: Umsatzsteigerung ist nicht immer die Antwort, selbst wenn die Branche wächst. Oft sind Unter- nehmen mit dem Phänomen konfrontiert, zwar über jährliche Wachstumsraten zu verfügen, die Ergebnisse jedoch stagnieren oder sind rückläufig. In solchen Fällen lohnt sich eine Geschäftsspartenbetrachtung. Um solche Zahlen sichtbar zu machen, müssen Rechnungswesen und Controlling entsprechend aufgesetzt sein und einzelne Geschäftsbereiche oder Produkte abbilden. So kann ein bestimmter Geschäftsbereich mitunter 60 Prozent zu den jährlichen Umsatzerlösen beitragen, aber seit Jahren einen negativen Deckungsbeitrag (Umsatzerlöse – variable Kosten) erwirtschaften.

Das heißt jedoch nicht, dass dieser Geschäftsbereich zur Gänze eingestellt werden sollte, schließlich trägt auch er wesentlich zur Deckung der Fixkosten des Unternehmens bei. Das Wissen um Geschäftsbereichs- Deckungsbeiträge sollte in strategische Entscheidungen zum künftigen
Spartenmix einfließen.

Gerade als KMU ist man nicht selten der kleine Kunde am Ende der Schlange großer Softwarehäuser, wenn es darum geht, im ERP-System (Enterprise-Resource-Planning) geänderte Realitäten abzubilden. Auf der anderen Seite müssen Entscheidungsträger ein zuverlässiges, täglich verfügbares, hoch dynamisches Management-Cockpit zur Verfügung haben, mit dem sie verschiedene Szenarien mit wenig Aufwand durchrechnen können, um die Qualität der Managemententscheidungen auch in schwierigen Phasen zu gewährleisten.

In das Aufsetzen eines solchen Management-Controllings darf richtig Energie investiert werden! Eine genaue Differenzierung in Fixkosten und variable Kosten, realistische Produktivzeit- Faktoren der Mitarbeiter (62 – 65%), genau auf das Geschäftsmodell abgestimmte dynamisch änderbare Parameter, wie z. B. Auftragsdurchlaufzeiten von der Angebotslegung bis zur Auslieferung und dem Liquiditätszufluss abhängig vom (prognostizierbaren) Zahlungsverhalten der Kunden – all das sind zu beachtende Faktoren.
Mit einem professionellen Management-Informationssystem (MIS) lassen sich Fragen beantworten wie: Welche Auswirkungen hat es, wenn Auftragsdurchlaufzeiten nicht sechs, sondern neun Monate betragen, wenn die „Hit Rate“ (Aufträge/erstellte Angebote) oder die „Conversion Rate“ (Websitebesucher/getätigte Transaktionen) von 12 auf 8 Prozent fällt etc.? Wie wirken solche Einflussfaktoren auf die Auslastung meiner Mitarbeiter und auf die Liquidität des Unternehmens? Wo liegt der „Flaschenhals“ in der Produktion? Sind Wechselkursszenarien zu berücksichtigen, Zinsänderungsrisiken oder Änderungen bei den Rohstoffpreisen etc.?

Ein Rechenbeispiel: Die Neueinstellung eines Mitarbeiters kostet das Unternehmen 44.000 Euro p. a. und erhöht die Personalkosten um 9 Prozent. Arbeitet das Unternehmen jedoch mit einer EBIT-Rate (Betriebsergebnis vor Steuern und Zinsen/Umsatzerlöse) von nur 11 Prozent, reduziert sich das Jahresergebnis durch den 9-prozentigen Kostenanstieg um satte 30 Prozent.
Die Lösung liegt jedoch nicht unbedingt darin, den notwendigen Personalzubau aufzuschieben und die Überstunden und den Stand nicht konsumierter Urlaube des bestehenden Teams anschwellen zu lassen. Diese Strategie versteckt das Problem unterjährig lediglich. Der Aufwand wird zum Teil nicht unmittelbar liquiditätswirksam. Die Belastung des Jahresergebnisses im Jahresabschluss durch verpflichtend zu bildende Rückstellungen ist jedoch nicht zu vermeiden.

Somit werden jene Unternehmer zu den Gewinnern zählen, die auf alle Eventualitäten und Szenarien bestmöglich vorbereitet sind und dank „mitlebender“ Businesspläne und sehr flexibler, dynamisch kalkulierender Management-Cockpits ohne großen Aufwand die richtigen Antworten zeitnah parat haben. Auch Hausbank und Ratingagenturen wissen es zu schätzen, wenn Unternehmen die Kennzahlen im Griff haben und ihre eigenen Liquiditätserfordernisse frühzeitig erkennen.

 

Mag. Andreas Linsbichler

Mag. Andreas Linsbichler andreas@linsbichler.at www.blindflug-ade.at Unterstützer bei der Erstellung von Excel-Management-Cockpits und atmenden Businessplänen.