06/10/2020

Wirtschaft braucht Klarheit. Arbeit braucht Zukunft.

200 Tage Kampf gegen Corona: Das System Österreich stößt an seine Grenzen.

Wien – Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: „Der höchsten Arbeitslosigkeit in der zweiten Republik können wir nicht dauerhaft mit Kurzarbeitszeitmodellen und Zuschüssen begegnen,“ mein Peter Lieber, Präsident des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV). „Wir haben es mit einem grundsätzlichen Umbruch der Arbeitswelten zu tun. Corona bringt das ganz klar und schneller als erwartet hervor. Weder Geheimverhandlungen noch Millionen-Apanagen können Geschäftsmodelle, die nicht mehr tragen, dauerhaft retten. Es ist letztlich eine Vergeudung von Ressourcen, die zum Vorteil von Wertschöpfung und Wohlstand viel besser eingesetzt werden muss.“

Österreich steht regelmäßig am Stockerl, wenn es um höchste Lohnzusatzkosten geht. „Wenn wir schon derart viel Geld in die Hand nehmen, um die Auswirkungen der Krise zu lindern, dann wäre es jetzt definitiv raffinierter, mit diesen Mitteln auf eine erheblich niedrigere, spürbare Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit zuzusteuern, um den lang fälligen Übergang einzuleiten,“ so Lieber, dessen Wurzeln in der Software-Branche liegen. Es ist eine zwingende Notwendigkeit in der Produktion, aber auch bei Dienstleistungen, sowohl in der EU als auch global wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Chancen der Krise nützen

Mit den Mitteln und Methoden der Vergangenheit können die Fragen einer sich sehr schnell entwickelnden Zukunft nicht gemeistert werden. Die Ausgangslage Österreichs ist vergleichsweise hervorragend, aber diesen Vorsprung gelte es auszubauen und nicht leichtfertig zu verspielen. Die Bundesregierung möge lieber einen Wettbewerb der guten Ideen lostreten, als verfassungsrechtlich abgesicherte Kammerbeamte immer neue Details zu überholten Regelungen verhandeln zu lassen.

„Noch haben wir hierzulande gute Karten. Wir müssen aber jetzt die Weichen stellen, denn sonst fällt uns unsere Zögerlichkeit auf den Kopf,“ spielt Lieber auf die eingeübte Trägheit der österreichischen Realpolitik an. Es sei ein Schlag ins Gesicht einer jeden initiativen Unternehmer*in, wenn der späte Versuch der Bundesministerin für Arbeit, Christine Aschbacher, Regelungen für das Home-Office in den Kollektivverträgen zu verankern, trotz gelebter und flächendeckender Anwendung noch ein halbes Jahr weiter verschleppt werde.

„Selbstverständlich braucht es Klarheit zu allen Fragen, die Home-Office aufwirft, doch brauchen wir diese jetzt, an der Schwelle zur zweiten Covid-Welle und nicht erst im März, wenn wir hoffen dürfen, die Viruskrise ausgestanden zu haben. Wir müssen hemdsärmeliger, pragmatischer und viel schneller werden,“ zitiert Peter Lieber die Meinungen der ÖGV-Mitglieder, die nicht die Absicht hätten, bis ins nächste Jahr auf einen sinnvollen Rechtsrahmen zu warten. „Den brauchen wir jetzt. Wenn sich die Abläufe weiter einspielen, wovon in diesem Winter auszugehen ist, wird ein gesetzlicher Rahmen im Frühling totes Recht sein. Und das braucht wirklich niemand.“