09/10/2019

Heute erdacht. Morgen gemacht?

3D-Druck: Industrieller Hype oder zukunftsfähige Fertigungstechnologie?

Additive Fertigung (die Fachbezeichnung für 3D-Druck) erfährt aktuell eine hohe Aufmerksamkeit in der Industrie – nicht zuletzt durch die hohe mediale Präsenz in den letzten Jahren. Jedoch sind sich viele Unternehmen unsicher, welche Chancen und Risiken diese Fertigungstechnologien aufweisen.

Die Schwierigkeit für die Anwender liegt darin, dass additive Technologien keine bestehende Fertigungstechnologie ersetzt, sondern vielmehr eine ergänzende Fertigungstechnologie darstellt, die aber auch neue Denkstrukturen hinsichtlich einer erfolgreichen Anwendung erfordert. Die Etablierung der „Additiven Denkweise“ betrifft dabei auch viele Unternehmensbereiche – allen voran die Gestaltungsmöglichkeiten vollkommen neuer, komplexer Bauteilstrukturen, die prädestiniert für Leichtbau-Anwendung oder simulations- bzw. topologieoptimierte Produkte sind. Viele Anwender unterschätzen dabei allerdings die Potenziale, die in weiteren Unternehmens- bzw. Geschäftsbereichen entstehen können.

Die Anwendungsmöglichkeiten additiver Fertigung auf Basis einer Betrachtung des Innovationsprozesses eines Unternehmens sind extrem vielfältig. Beginnend bei der physischen Umsetzung erster Ideenkonzept bis hin zur additiven Fertigung von Primo- und Prototypen im Rahmen der Produktentwicklung ermöglicht Unternehmen eine wesentliche Agilitätssteigerung und somit nicht nur eine extrem rasche, sondern auch kunden- und zielorientierte Markteinführung von Produkten.

Ein häufig unterschätzter Anwendungsbereich im Rahmen der Prozessentwicklung stellt die additive Produktion von Werkzeugen, Formen, Schablonen oder Montagehilfen dar. Die Möglichkeit der individuellen Anpassbarkeit und kurzfristige Verfügbarkeit stehen damit vor und während der Produktion im Vordergrund. Die produzierende Industrie drängt aufgrund der Tendenz zu mehr Individualisierung immer stärker in Richtung „hoch-individualisierter Serienfertigung“ mittels additiver Technologien. Allerdings kommt es dadurch häufig zu Wertschöpfungsverschiebungen. Konstrukteure sind im Unternehmen häufig nicht die Treiber der Implementierung des 3D-Drucks.

Individualisierung ist Innovationstreiber

Dennoch ist die Kompetenz der additiven Konstruktionsweise ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Anwendung. Bei einem höheren Individualisierungsgrad ist bereits im Rahmen der Entwicklung und Konstruktion zukünftig ein höherer Automatisierungsgrad erforderlich. Gleichzeitig muss dem Kunden die Möglichkeit geboten werden, seine individuellen Anforderungen und geforderten Funktionen entsprechend im Bauteil bzw. Produktdesign wiederzufinden. Durch stärkere softwarebasierte Parametrisierung oder Simulationsverfahren (z.B. Strömungsoptimierung, lastspezifische Topologieoptimierung etc.) können diese Anforderungen an den Entwicklungsprozess auch umgesetzt werden.

Alte Ersatzteile wieder verfügbar.

Ein weiterer Anwendungsbereich ist die additive Produktion von Ersatzteilen. Die Beweggründe dazu liegen nicht zuletzt in der häufig vorherrschenden Obsoleszenz-Thematik, also die fehlende Verfügbarkeit von Ersatzteilen oder dokumentierten Ersatzteildaten. Weitere Potenziale stellen hier die bedarfsorientierte Ersatzteilproduktion dar, die wiederum positive Effekte auf die Ersatzteilbevorratung und -lagerung sowie der nachträglichen Bauteiloptimierung haben.

Neben den genannten Anwendungsmöglichkeiten spielt im additiven Kontext auch die Digitalisierung eine wesentliche Rolle, nämlich dahingehend, dass additive Fertigung als ein wesentlicher Enabler für digitale Wertschöpfungsketten und -systeme gilt. Die unmittelbare und werkzeuglose Erzeugung von kundeninteraktiv und individuell gestalteten Produkten sowie die darauf kurzfristige Verfügbarkeit des physischen Produktes bieten das Potenzial, aktuelle Wertschöpfungsketten zu revolutionieren und damit vorherrschenden Megatrends zu folgen oder sogar wesentlich mitzugestalten.

Fraunhofer Austria betreibt anwendungsorientierte Forschung im Rahmen der Technologieplanung und Implementierung. Ein wesentlicher Fokus liegt dabei auf der technologieinduzierten Mehrwertgenerierung und der Bewertung von additiven Nutzenpotenzialen im gesamten Wertschöpfungssystem. Hier zählen neben den Produktpotenzialen im Wesentlichen die Potenzialbewertung im Bereich der Produktions- und Logistikprozesse sowie über den gesamten Produktlebenszyklus (bspw. durch wesentliche Effizienzsteigerungen in der Produktnutzung) bis hin zur aktiven Gestaltung und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in Kombination mit additiver Fertigung. Die wesentliche Keymessage liegt im Anwendungserfolg durch eine umfassende Kombination und Nutzung von additiven Potenzialen im gesamten additiven Wertschöpfungssystem.

 

Autor: DI Arko Steinwender / Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fabrikplanung und Produktionsorganisation, www.fraunhofer.at